Endlich ist es soweit: Neukölln hat mit dem Estrel schon das größte Hotel Deutschlands und erhält nun auch noch das höchste Hotel Deutschlands. Ich stelle mir angesichts der glänzenden Aussicht in die beginnende Abenddämmerung zum Frühlings- und Herbstbeginn schon mal den 176 Meter in den düsteren Himmel ragenden Turm im zukünftigen "brennenden" Estrel-Ensemble vor:
Ob die Höhe ausreicht? Ob die Schräge zur richtigen Seite ausgerichtet ist und was sonstige architektonische Raffinessen betrifft, habe ich die Gewinnermodelle nicht hundertprozentig nachvollziehen können. Aber das ist für einen einen ersten Eindruck auch nicht ganz so wichtig. Zu den übrigen Jahres-und Tageszeiten werde ich dieses Monster vermutlich auch eher hässlich finden. So wie alle anderen Kästen dieser Art auch. Da ist ziemlich wurscht, wie schräg oder vieleckig die Architektenideen ausfallen, denn in Ermangelung eines Privathubschraubers sieht man von der Seite sowieso nur eine Seite. Meist beige in reflektiertem himmelgrau. Prima. Danke Herr E.Strel.!
Die eigene Autobahnausfahrt ist auch bald fertig, und wer weiß? - vielleicht gibt es ja auch irgendwann mal einen Flugplatz in der Nähe. Die Sichtachse wäre jedenfalls unverbaut.
Estrel-Tower
Karl-Marx-Straße
Über Karl Marx, werde ich hier nichts schreiben, der eine weiß genug, den anderen interessiert es nicht.
Gerne und oft wird die Karl-Marx-Straße verwechselt mit der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain, nicht nur von Touristen und Neuberlinern, sondern auch von Nachrichtensprechern und Verkehrshinweisern.
Die Karl-Marx-Straße ist ein Teilstück einer (prinzipiell) durchgehenden Straße von Rudow/Schönefeld rund um die Teltower Platte bis Zehlendorf/Teltow. Insgesamt - von Stadtgrenze bis Stadtgrenze - ist der Straßenverlauf ca. 30 km lang (rosa markiert einschließlich der 3km violett, die Strecke der Karl-Marx-Straße), die Nord-Neuköllner Karl-Marx-Straße ist also doch ein verhältnismäßig kurzes Stück. Die Strecke durch ganz Neukölln (von Rudow bis zum Hermannplatz) war einmal die Bundesstraße 179, wurde aber - wie man so schön sagt - entwidmet, als der Autobahnanschluss (A113) vom Stadtring nach Schönefeld fertig war.
In Rixdorf ist Musike
Auf der Suche nach dem Originaltext bin ich erst einmal auf der Strecke geblieben...
Uff den Sonntag freu ick mir.
Ja, denn jeht et `raus zu ihr,
Feste mit verjnügtem Sinn,
Pferdebus nach Rixdorf hin!
Dort erwartet Rieke mir,
Ohne Rieke keen Pläsir!
In Rixdorf ist Musike,
Da tanz ick mit der Rieke,
In Rixdorf bei Berlin.
Langform nachgedichtet(?)
von Littke-Carlsen, 1889
mit dem Titel "Der Rixdorfer"
Auf den Sonntag freu' ich mir.
Ja, dann geht es 'raus zu ihr
feste mit vergnügtem Sinn
Pferdebus nach Rixdorf hin.
Dort erwartet Rieke mir,
ohne Rieke kein Plaisir.
Rieke, Riekchen, Riekake,
die ist mir nicht pi-pa-pe.
Geh' mit ihr ins Tanzlokal,
Rieke, Riekchen woll'n wir 'mal?
Kost'n Groschen nur
für die ganze Tour.
Rieke lacht und sagt: "Na ja
dazu sind wir ja auch da!"
Und nu geht es mit avec,
immer feste weg.
Rieke feste angefasst!
Rechts herum,
links herum,
immer mang das Publikum
kreuz und quer,
hin und her
das gefällt mir sehr,
ja sehr.
Balancez, ach herrje,
Rieke tanzt wie eine Fee.
Tritt sie mir, tret' ich ihr,
das gehört nun zum Plaisir.
In Rixdorf ist Musike,
Da tanz ick mit der Rieke,
In Rixdorf bei Berlin.
Karl Marx
Die wenigsten nehmen ihn wahr, obwohl er nun schon seit ca. 30 Jahren die Fassade der Karl-Marx-Str.1 am Hermannplatz ziert. Oder noch nicht ganz so lange oder sogar schon seit den siebzigern? So genau kann ich mich nicht mehr erinnern, wann die Fassade restauriert wurde und heimlich hinter der Baugerüstverkleidung ein vorwitziger Stuckateur oder Bildhauer den alten bärtigen Kalle an die Wand bannte. Ich erinnere mich aber noch, dass sich nach Entfernung des Vorhangs bei einigen aufrechten Westbürgern Entrüstung breitmachte. Ob es eine BZ-Titelseitenschlagzeile wert war, weiß ich nicht, kann es mir aber vorstellen.
Das kleine Reliefportrait durfte aber überleben.
Wenn man sich die restliche Fassade betrachtet, könnte man allerdings denken, dass sie nie erneuert wurde. Wir bestaunen hier einen, der heruntergekommensten Hauseingänge der gesamten ca. 3km langen Karl-Marx-Staße!
275 Jahre Böhmisches Dorf
Wenns Dorf in der Stadt
was zu feiern hat
kann das auch so aussehen:
So voll war die Kirchgasse vielleicht noch nie und es hat bestimmt viel Spaß gemacht, das Gestühl aus dem Kirchsaal auf dem historischen Pflaster unfallfrei bereitzustellen, um mehr als 275 Nachkommen der böhmischen Einwanderer und ihre Gäste an der Kaffeetafel willkommen zu heißen.
Tor weg
Wenn's so weiter geht ist das "Rixdorfer Tor" bald weg.
Es wird immer poröser und weil's jetzt an die Basis geht schreit es nach einem Verein zur Rettung desselben...
Kiehl ganz oben
Reinhold Kiehl war Anfang des 20. Jahrhunderts so ziemlich der fleißigste und prägendste Architekt Neuköllns. Also bevor Neukölln "Neukölln" genannt wurde und eigentlich noch Rixdorf hieß.
Seine bekanntesten Bauwerke in Neukölln sind (von Norden nach Süden):
• Friedhofskapelle und Verwaltungsbau des evangelischen Alten St. Jacobi-Friedhofs
• Rathaus Neukölln
• Stadtbad Neukölln (mit Heinrich Best)
• Passage mit Kino und Neuköllner Oper
• Orangerie (heute Galerie) im Körnerpark
• Krankenhaus Neukölln (Rudower Straße 56, heute Vivantes)
und dazu noch ein paar Wohnhäuser und Schulen.
Die Toilettenhäuschen in der Elbestraße und am Maybachufer dien(t)en mit der Desinfektionsanstalt im Mittelbuschweg der Hygiene und Gesundheit.
Zu den kleinsten Kiehlschen Gebäuden zählt die sehr groß klingende "Trinkhalle" auf dem Richardplatz. Die damalige Bezeichnung ist dann schon recht irreführend, denn mehr als eine Currywurstbude gibt der hübsche Kiosk - der im übrigen auch einige Jährchen auf dem Dach die rot-weiß-gepunktete Bemalung eines stolzen Fliegenpilzes trug - nicht her. Aus jener Zeit stammt dann auch noch die häufig verwendete Bezeichnung der Eingeborenen, denn wer eine Verabredung am "Pilz" trifft, hat ein Stelldichein mit Currywurst.
Guten Appetit!